Gib nicht auf!
Das Erste, was einem zu einer Krebserkrankung einfällt, ist Haarausfall. Dabei gibt es Chemotherapien, bei denen die Haare nicht ausfallen oder es gibt Chemos, die nichts mit einer Tumorerkrankung zu tun haben. Egal! Es gibt viel zu viele Menschen, die durch diese mühsame Therapie müssen. Jeder kennt jemanden, der Krebs hat oder hatte. Heute ist Weltkrebstag. Heute möchte ich allen Betroffenen zurufen: Gib nicht auf! Kämpfe weiter gegen mutierende Zellen und zytostatische Gewächse!
„Aber Susanne, Du weißt nicht, wie es ist.“
Stimmt, ich kenne Deine spezielle Situation nicht. Aber ich weiß, wie es sich anfühlt einen ähnlichen Kampf zu führen. Man muss sich gegen Unsicherheiten aufbäumen, Risiken eingehen und dumme Sprüche schlucken. Man kotzt ab, heult sich die Augen aus und gurgelt beißendes Mundwasser. Man versinkt mit Fatigue, ölt sich den kahlen Schädel und muss sich nicht mehr die Beine rasieren (Immerhin!).
Es mag kaum trösten, wenn andere sagen, dass die Haare doch wieder nachwachsen oder in einem Jahr alles vorbei sei. Jetzt muss man durch diesen Schlamassel gehen. Bitte geh weiter!
Ich hatte Krebs, bevor es Smartphones gab. Ich kam gar nicht auf die Idee, mich mit Glatze zu fotografieren. „Ein schönes Gesicht braucht Platz“, sagte mein Mann. „Es gibt Menschen mit Haaren und schöne Menschen.“ Mit solchen Sprüchen verscheuchte er meine Traurigkeit und noch viel mehr.
Der 4. Februar ist den Kämpfern gewidmet. Ihr wisst, wofür Ihr kämpft: für Leben, Liebe und Träume, für die Familie, Freunde und eine Zukunft!
In meinen Gedanken gehe ich jetzt zu meinem Herzensmensch und hoffe das Beste … nachher rufe ich sie an.
Textauszug aus “Meine Reise durch das Trauerland”
[…] Vier Tage nach der ersten Chemotherapie spannt sich meine Kopfhaut und trennt sich von den Haarwurzeln. Die Idee, mehrere Frisuren auszuprobieren, kann ich verwerfen. Ich dachte, ich könne mich Stück für Stück von meinen langen Haaren trennen, bis ich eine schicke Kurzhaarfrisur hätte. Es wäre tröstlich gewesen zu wissen, dass ich auch mit kurzen Haaren gut aussehe.
Ich stehe auf, kümmere mich um die Kinder und mache Frühstück. Langes Haar schwebt zu Boden, in das Müsli und in die Spüle. Ich sammle es auf, hole es mit der Fusselrolle ein und jage ihm mit dem Staubsauger hinterher. Es ist zwecklos. Ich haare wie eine Katze im Fellwechsel. Ich wäge ab: Putzen und für ein paar Tage eine Frisur haben oder abrasieren?
Im Kinderzimmer knie ich auf dem Teppich und beginne, Weichen und Schienen der Holzeisenbahn zusammenzustecken. Die Kinder finden leichter in ein Spiel, wenn ich den Anfang mache. Sobald sie sich selbst beschäftigen, habe ich Zeit, um eine Entscheidung zu treffen. Die kleinen Waggons klackern, als sich die Magnete berühren und der Zug immer länger wird.
„Mama, das ist ein Tender.” Ferdinand hält mir den Wagen für die Dampflok entgegen. Thomas hat ihm gestern das Wort beigebracht, seitdem benutzt er es so oft wie möglich. Tender hier und Tender dort und ich denke an das alte Lied von Elvis Presley. Love me tender, love me sweet, never let me go. Die Kinder liegen auf dem Boden und machen Geräusche mit ihren Zügen.
„Tutuut!”, tönt Ferdinand.
„Schscht”, macht Eduard und sein Speichel tropft in langen Fäden auf seine Lok. Er bekommt Zähne, Mausezähne. Er sieht so lustig aus, wenn er lacht. Jetzt sind beide in ein Spiel aus Gleisen und Waggons, Dampfloks und Tender abgetaucht.
Ich eile ins Bad und nehme Thomas’ Rasierer in die Hand. […]