Trauerland Teil 4
Durch das Trauerland zu ziehen, war ein Kraftakt, denn alles war fremd. Fragen rumorten in mir: „Wer wird mir begegnen? Wie werde ich die Reise überstehen? Wird sie mich verändern?“
Die Trauer erwies sich als eine treue Reisebegleitung und nicht immer war ich über ihre Gegenwart erfreut. Anfangs ignorierte ich sie, später stritt und diskutierte ich mir ihr, dann hörte ich ihr zu und nahm ihre Hand.
So unterschiedlich wie die Gefühle während der Trauerzeit waren, so unterschiedlich waren auch ihre Ausdrucksformen. Wut, Enttäuschung, Verzweiflung, Einsamkeit und Müdigkeit wechselten sich ab. Als die Trauer laut und fordernd war, tobte ich mich im Garten aus. Ich hackte den Boden auf, grub Löcher und verlegte Granitsteine.
Als die Trauer still und behutsam war, zeichnete ich Bilder. Ich rollte Papier auf 2 mal 4 Meter aus, krabbelte und kroch um den großen Bogen.
Meine Kinder liebten auch die kräftigen Farben. Sie zeichneten viele Bilder mit Tieren und Wolken, Sonnen (!) und Blumen. Manchmal glich es einem Krickelkrakel, aber für die Kleinen war es ein „richtiges“ Bild.
Mein Dreijähriger malte ein Familienbild: den verstorbenen Papa als Blume und uns als Schmetterlinge. Wäre es anders herum nicht besser?
„Nein, nein“, sagte der Kleine. „Papa ist eine Blume.“
„Na gut! Und wir fliegen am Himmel.“
Der Kleine nickte und seine Zungenspitze lugte hervor. Konzentriert schrieb er unsere Buchstaben. Sie waren seitenverkehrt, aber es war ein wundervoll richtiges Bild.
Er empfand uns als leicht und bunt, sein Papa war verwurzelt – in Liebe verwurzelt. Das ist er immer noch.
Erstaunlich, was Kinder ausdrücken können und wollen, wenn man sie nur lässt.