Erikativa oder Erikativum?

Comics seien keine Literatur, meinen Experten, allerdings sind sie besser als überhaupt keine Bücher. Comics sind eine Möglichkeit, um vor allem Jungs für Bücher begeistern zu können. Erfolgreich sind Gregs Tagebuch oder Tom Gates, das sind bildreiche und witzige Geschichten für Preteens.

Aber es geht doch nichts über das gute alte Taschenbuch und Donald Duck.
Ich habe als Kind ungern gelesen. Wenn mir die Lehrerin eine Leseübung aufgab, hatte ich sie auswendig gelernt und so getan, als lese ich flüssig. Ich liebte Mickey Maus und Donald Duck und als Kinder der DDR hüteten wir unsere Comics wie Schätze. Meine Tante aus dem Westen packte Pakete und versteckte die Bücher zwischen Scheibletten und Schogetten. Leider entwendete sie oft der Zoll. Vermutlich freute sich dann ein Kind des Beamten an den bunten Büchern.
Die LTBs retteten mich über die schwierige Zeit des Lesenlernens. Erst viel später wagte ich mich an Ronja Räubertochter oder Robinson Crusoe.

Mein Sohn ist nicht nur ein Comic-Leser, sondern auch ein Sammler.
„Es müssen die ganz Alten sein. Das sind die Besten“, sagte er und stöberte im Antiquariat in Bananenkisten. Er wurde immer fündig, wenn ein ca. 60-jähriger Mann seine eigene Sammlung auflöste. Der Kreislauf eines alten LTBs. Wenn man sich die Zeit nimmt und die Bücher studiert, wird man ihre Faszination verstehen. Die Sprache der alten Taschenbücher ist besonders und wurde von Erika Fuchs geprägt. Die Übersetzerin jonglierte mit Verben und Namen. In den Sprechblasen versteckte sie Zitate großer Dichter.
”Wir wollen sein ein einig Volk von Brüdern, in keiner Not uns waschen und Gefahr!“, entlehnte Erika Fuchs Schillers Rütlischwur. Sie besann sich auf die alte Dichtkunst und schuf gleichzeitig eine neue Wortgattung: autsch, bäng, grübel, seufz, knarr. Diese Wörtchen nennt man Erikativ. Es verging viel Zeit, bis ihre Arbeit Anerkennung fand und sie mit Preisen bedacht wurde. Vor ein paar Jahren eröffnete im fränkischen Schwarzenbach das Erika-Fuchs-Haus und demonstriert, dass Comics doch Literatur sind.

20191217_141920.jpg

Ich unterstütze die Sammelleidenschaft meines Sohnes und kutschiere ihn in Antiquariate. Sein Papa erweitert nach jedem Besuch die Regale in Jugendzimmer.

Leidenschaften brauchen Ermutigung, denn wir können nicht vorhersehen, was aus ihnen alles entwachsen kann.