Das Unwort des Jahres
Letzten Montag wurde das Unwort 2020 gekürt. Jedes Jahr wählt die Gesellschaft für deutsche Sprache ein Wort, welches das politische, wirtschaftliche und gesellschaftliche Leben geprägt hat. Die Wahl überrascht nicht, alle Vorschläge hatten mit dem Virus zu tun z. B. Coronahysterie, Geisterspiele, neue Normalität, Schwurbler oder Impfnationalismus. Das Siegerkrönchen geht an Coronapandemie! Klingt fast etwas langweilig. Es hätte auch Hamsterkäufe oder Infodemie oder CoviDDR sein können.
Aber alle Vorschläge verdichten unsere Befürchtungen, die die Pandemie auslöst – die Sorge um den Verlust von Wohlergehen, Sicherheit, Freiheit und Individualismus.
Auf das zweite Treppchen des Unwort-Podestes stieg Lockdown, die Ausgangssperre. Für die meisten ist der Verzicht auf Gesellschaft am schwierigsten. Man kann nicht einfach so seine Familie und Freunde besuchen, zu Treffen und auf Veranstaltungen gehen.
Ich hatte gehofft, dass es ein anderes Wort auf das Siegerpodest schafft. Es ist holländisch und ging durch die belgische Presse. Knuffelcontact. Es ist voller Sehnsucht und Wärme. Knuffeln bedeutet drücken, schmusen, kuscheln. Die belgischen Behörden erlaubten der Bevölkerung im Lockdown zwei Kuschelkontakte (aber nicht gleichzeitig). Menschliche Nähe ist ein Grundbedürfnis und darf nicht verboten werden. Für mich ist Knuffelcontact das Wort des Jahres. Während Coronapandemie die Sorgen nach Sicherheit ausdrückt, bringt Knuffelcontact die Sehnsucht nach Nähe hervor.
Lasst uns knuffelcontacten so weit wie möglich. Nein, es gelten keine SMSs mit Emojis, WhatsApp-Sprachnachrichten oder GIFs per Telegram. Zuwendung kostet Zeit und Einfallsreichtum. Wenn es keine Umarmung und kein Kuss sein darf, dann lasst uns Handküsse, Augenzwinkern, Komplimente, Aufmerksamkeit, Grüße und Briefe verteilen. Ein Hoch auf den Knuffelcontact!