Trauerland Teil 5 - Wie sage ich es meinen Kindern?

Es geschieht in Familien, Kindergärten oder Schulen, Vereinen oder in der Nachbarschaft – ein Mensch stirbt. Wie gehen wir damit um? Wie sagen wir es den Kindern? Je nach Alter brauchen wir unterschiedliche Bilder und Worte. Hier denke ich besonders an die Kinder im Kindergarten- und Grundschulalter. Was brauchen diese Kinder? Sicherheit! So mancher gut gemeinte Erklärungsversuch erzeugt mehr Unsicherheit als Sicherheit.

Sage niemals: „Die Oma ist auf einer ganz langen Reise.“ Kinder fragen sich: Wann kommt sie wieder? Bringt sie mir etwas mit? Wieso schreibt sie mir keine Postkarte?

Sage niemals: „Die Tante ist jetzt im Himmel und sitzt auf einer Wolke.“ Kinder fragen sich: Kann sie herunterfallen? Was passiert mit ihr, wenn es regnet?

Sage niemals: „Deine kleine Schwester ist jetzt ein Stern und leuchtet für uns.“ Man nennt totgeborene Babys zwar Sternenkinder, aber Kinder in der heutigen Zeit wissen, dass Sterne verglühen. Wird die kleine Schwester sich auflösen?

Sage niemals: „Er schläft für immer tief und fest.“ Ein Kind wird sich vor dem Einschlafen sorgen.

Der Tod ist weder Schlaf noch eine Reise. Der Tod tritt ein, weil der Körper nicht mehr arbeitet. Kein Herzschlag. Keine Atmung. Keine Hirnfunktion. (Wieso der Körper nicht mehr arbeitet, sind Fragen älterer Kinder. Dazu mehr in einem späteren Beitrag.)

Als meine Kinder zwei und vier Jahre alt waren, musste ich Worte für den Tod ihres Vaters finden. Es musste eine Antwort sein, die nicht noch mehr Fragen erzeugt oder sie in der Hoffnung lässt, der Papa könne eines Tages wiederkommen.
Ich wollte meine Kinder mit allen Sinnen ansprechen, also holte ich Papier und Malstifte. Ich zeichnete drei Häuschen, ein Mama-Haus, eine Ferdi-Haus und ein Ede-Haus. Sie standen auf einer Wiese und drumherum sprießten Blumen. Wir malten gemeinsam das Blatt bunt, egal wie krakelig es wurde. Dann skizzierte ich mit ein paar Strichen ein viertes Haus. Krumm und schief und mit Löchern in der Wand.

 „Schaut mal! Das ist das Papa-Haus. Es ist so kaputt, dass Papa nicht mehr darin wohnen kann. Er muss umziehen. Unser Körper ist wie ein großes Haus, und mit der Zeit verändert sich das Haus. Eure Häuschen werden immer größer, das von der Uroma wird immer kleiner und faltiger. Papas Körper war kaputt wie dieses Haus. Man konnte es nicht mehr reparieren.“

aus Meine Reise durch das Trauerland

Der Körper war wie ein kaputtes Haus – unbewohnbar. Das verstanden meine Söhne.
Diese Erklärung lässt sich auch in Glaubensvorstellungen von Paradies oder Himmel integrieren. Ich erklärte: „Papas Körper war kaputt wie dieses Haus. Man konnte es nicht mehr reparieren. Er musste umziehen … zu Jesus in den Himmel.“

Der Vergleich half uns, auch mit weiteren Fragen umzugehen: „Warum liegt Papa in einem Sarg? Wieso wird der in der Erde vergraben?“
Ich musste lernen, immer wieder und wieder diese Fragen zu beantworten. Es genügte nicht, es einmal zu erklären. In dieser Zeit wurde viel gemalt und geknetet. Häuser und Bäume. Wolken und Blumen. Wieder und wieder.

Eduard, 2,5 Jahre

Eduard, 2,5 Jahre

Ferdinand, 4 Jahre

Ferdinand, 4 Jahre

Heute hängen die Kinderzeichnungen noch immer über unserem Esstisch. Meine Söhne haben schon früh verstanden, wie begrenzt das Leben ist, und das ist auch eine wertvolle Erkenntnis. Sie leben mit dem Wissen, dass das Leben einmalig, kostbar und unwiederbringlich ist. Und weil es das ist, dürfen wir weder beschönigen noch verschweigen, wenn das Thema Tod uns berührt.

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